Uruguay wird als Reiseziel von Touristen oft übersehen. Dabei machen eine junge Szene und viel Kultur die Hauptstadt Montevideo zu einem der aufregendsten Orte in ganz Lateinamerika.
Der lange Schatten der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires reicht bis nach Montevideo: Uruguays Hauptstadt am Nordufer des Rio de la Plata wird oft mit der argentinischen Konkurrentin am Südufer verglichen. Vor allem von den Einheimischen, die auf beiden Seiten der Flussmündung leben.
Für Außenstehende könnten die beiden Metropolen kaum unterschiedlicher sein. Während Buenos Aires sich als traditionsreich mit glanzvoller Vergangenheit präsentiert, ist Montevideo eine Stadt, die überall Jugendlichkeit ausstrahlt – mit pulsierender Straßenkunstszene, unzähligen Bars und Cafés und einem regem Straßenleben auf der Rambla, der Strandpromenade entlang der Stadtküste. Am stärksten zeigt sich das junge Lebensgefühl der Stadt auf ihren kleinen Plätzen. Etwa auf der Plaza de la Constitución in der Altstadt, wo die junge Generation Gratis-WLAN und E-Scooter nutzt.
Sogar das berühmteste Café der Stadt, das Café Brasilero aus dem Jahr 1877, wird von Studenten betrieben. Messingleuchter werfen ihr Licht auf die Baristas, während Montevideos ehrwürdige Ahnen von Porträts an den holzgetäfelten Wänden streng zu den Kellnerinnen blicken, die sich – gemäß dem selbst gewählten Credo des Slow Food – alle Zeit der Welt nehmen, selbst wenn sie den einfachsten Espresso servieren.
Die modernste Stadt Lateinamerikas
Uruguay steht in Lateinamerika an erster Stelle, wenn es um Fragen wie E-Government und demokratische Beteiligung geht, so eine Einschätzung des US-Außenministeriums. Ein Viertel der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt, der Großteil zwischen 20 und 50 Jahre, nur 15 Prozent sind über 60.
Der jungen Atmosphäre der Hauptstadt entkommt man also kaum. Dennoch bewahrt Montevideo seine Bräuche. Etwa den Tango. Er wird an den Straßenecken getanzt. Oder in der beliebten “Baar Fun Fun”. Hier ähnelt er allerdings eher einem zarten Vorspiel als einer choreografierten Schrittfolge. In ernsthafte Schwierigkeiten dürfte jeder geraten, der unterstellt, dass der sinnliche Tanz argentinischen Ursprungs sei. Über seine Geschichte informiert auch das nahe gelegene Museum, in dem die Kassiererin die Besucher ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich um den uruguayischen Tango handelt.
In den Nachbargassen trifft man an den Wochenenden Dutzende von Trommlern, die den schweren Takt des Candombe schlagen. Aus Afrika verschleppte Sklaven brachten diesen perkussiv begleiteten Tanz einst nach Uruguay. Heute ist er nicht nur Teil des traditionellen Karnevals in Montevideo; Candombe-Straßenmusiker ziehen regelmäßig die Zuschauer in der Hauptstadt wie ein Magnet an. Wer sich für Tangotänze also zu unsicher fühlen sollte, kann hier unter freiem Himmel ohne Vorkenntnisse die Hüften schwingen.
Ein Fest für die Geschmacksnerven
Um dem tänzerischen Montevideo-Erlebnis kulinarisch noch eins draufzusetzen, geht es auf den Mercado del Puerto, den belebten alten Hafenmarkt. Hipster schütteln hier Metzgern die Hand, die – anders als ihr Rindfleisch – aussehen, als wären sie weit über ihre Blütezeit hinaus. An den Ständen werden gegrilltes Fleisch und frischer Fisch aus dem Rio de la Plata feilgeboten. Abenteuerlustige wagen sich an einen “Choto” – ein gegrilltes Lammkuttelgericht, das so nur in Uruguay zu finden ist.
Dazu einen Tannat – der samtige Rotwein gilt als nationale Traube Uruguays. 270 Weingüter gibt es allein im Bezirk Canelones, zu dem auch Teile der Hauptstadt Montevideo gehören. Wer am nächsten Morgen mit einem Kater aufwacht, auch für den hat Montevideo eine Lösung parat: Yerba Mate.
Der Yerba Mate-Kult
Was der Kaffee für New York, ist der Yerba Mate Tee für Montevideo: ein Lebensgefühl! Der koffeinhaltige Kräutertee wird aus einem kugeligen Gefäß mithilfe eines Metallstrohhalms gesaugt, der Tee-Krümmel herausfiltert. Einheimische jeden Alters tragen ihr Lieblings-Heißgetränk im Set mit einer Thermoskanne stets mit sich.
Das Mate-Trinken ist Teil der Kultur und hat auch die Rolle einer zeremoniellen Friedenspfeife. Am besten trinkt man ihn also mit Fremden, wobei alle aus dem gleichen Strohhalm trinken. Es ist ein Ritual, das Menschen in Montevideo zusammenbringt, unabhängig von Alter, Geschlecht, Rasse, sozioökonomischem Status oder Klasse. Der sprichwörtliche Klebstoff, der alles zusammen halten kann in dieser faszinierenden Stadt.
Source: Deutsche Welle